Prof. Dr. rer. nat. habil. Dr. h. c. Reinhard Neubert
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,
Vorstand IADP An-Institut für angewandte Dermatopharmazie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e. V.,
Skinomics GmbH
Herr Prof. Neubert, können Sie sich bitte kurz vorstellen und etwas zu Ihrem Forschungsschwerpunkt und beruflichen Werdegang am Campus sagen!
Ich bin Reinhard Neubert und habe von 1970 bis 1974 Pharmazie in Halle (Saale) studiert. Im Jahre 1978 habe ich meine Promotionsarbeit im Fach Biopharmazie an der MLU geschrieben und habe mich 1987 habilitiert. Damals hatte ich zum Glück schon ein paar Publikationen in internationalen Zeitschriften im Westen. Das ist wirklich ein Glücksfall, denn das war gar nicht so einfach. In der DDR hätte ich sonst keine Chance gehabt, aber so konnte ich mich 1992 auf eine sogenannte Eckprofessur bewerben und war dann von heute auf morgen Dekan. Danach von 2000 bis 2006 Prorektor, danach Institutsdirektor in der Pharmazie und dann nochmal Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät I.
Wissenschaftlich habe ich mich immer mit dem Thema Haut beschäftigt, konkret mit Arzneistofftransport in die Haut. In Halle (Saale) arbeitet die Pharmazie sehr eng zusammen mit der Dermatologie, Haut ist also ein echtes Spezialgebiet hier. 1996 haben wir das An-Institut für angewandte Dermatopharmazie (IADP) gegründet, um angewandte Forschung zu betreiben und unsere Projekte mit der Industrie darüber abzuwickeln. Im IADP bin ich zudem stellvertretender Vorstandsvorsitzender.
Außerdem war ich Initiator der Gründungsförderung an der MLU. Damals hatten wir keine Instrumente für Ausgründungen an der Universität. Dann tauchte Herr Schmieder, jetziger Geschäftsführer des TGZ, auf. Anfangs war ich ehrlich gesagt etwas skeptisch, wie das so ist mit den BWLern, aber im Nachhinein war er ein echter Glücksfall. Wir haben uns zusammengerauft und 2004 erfolgreich den ersten Antrag beim Land Sachsen-Anhalt gestellt. Damit waren wir schneller als die Magdeburger, obwohl die eine Professur für Entrepreneurship hatten und in diesem Bereich gut aufgestellt waren.
Welchen Stellenwert hat Ihre Forschungs- und Entwicklungsarbeit am Standort Weinberg Campus allgemein im nationalen und internationalen Kontext?
Schon zu DDR Zeiten hatten wir gute Beziehungen beispielsweise nach Polen. Ich bin dort Ehrendoktor in Posen und unter anderem dadurch sind unsere Beziehungen zu den osteuropäischen Ländern gewachsen.
Nach der Wende hat sich außerdem eine intensive Beziehung zu Äthiopien ergeben. Mein Kooperationspartner Prof. Dr. Tsige Gebre-Mariam hat den Georg Forster-Forschungspreis der Humboldt-Gesellschaft erhalten. Darauf aufbauend haben wir verschiedene Projekte umgesetzt, hauptsächlich mit Äthiopien und 2015 nochmal ein großes Projekt mit Botswana, Tansania und Äthiopien, in dem es um die Inhaltsstoffe von Heilpflanzen ging. Gerade mit Äthiopien hat sich eine ganz intensive Forschungs- und Austauschbeziehungen entwickelt.
Welche Vorteile bietet heute die Arbeit am Weinberg Campus? Was schätzen Sie am Weinberg Campus?
Der Campus ist ein Pfund mit dem Halle (Saale) wuchern kann. Ich kenne die ganzen Player hier und wenn ich ein Projekt umsetze, weiß ich sofort auf wen ich zugehen kann, die meisten sind auch offen dafür. Das ist Gold wert.
Die Forschungsschwerpunkte sind eindeutig die Materialwissenschaften, inklusive der Solartechnik und Photovoltaik, außerdem die Biowissenschaften, allen voran die Proteinforschung. Das ist die Stärke von Halle (Saale).
Es fehlt noch ein Sonderforschungsbereich in den Biowissenschaften, also ein großes Netzwerk. Außerdem sollten wir irgendwo in die Exzellenzforschung kommen, das ist notwendig. Die MLU ist im Vergleich zu deutschen Exzellenzuniversitäten unterfinanziert. Grundlagenforschung muss in Sachsen-Anhalt generell besser finanziert werden. Dann können wir auch erfolgreich sein in der Exzellenzinitiative.
Ein Segen ist außerdem die Nähe von Universität und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Viele Einrichtungen arbeiten an ähnlich gelagerten Projekten. Da ergeben sich viele Möglichkeiten für Kooperationen. Die damit verbundenen kurzen Wege erleichtern auch den fachlichen Austausch.
Wie beschreiben Sie die Entwicklung des Weinberg Campus von der Entstehung bis heute?
Ich hätte mich in den 1990er Jahren nicht träumen lassen, dass auf dem Weinberg Campus mal so etwas Großes entsteht. Doch das Rektorat der MLU, dem ich auch angehörte, hat seinerzeit Struktur- und Standortentscheidungen getroffen, die das heutige Gefüge begünstigt haben. So konnten sich effektive Netzwerke bilden, die heute die Zusammenarbeit, sowohl unter einzelnen Uni-Instituten als auch zwischen universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen enorm erleichtern. Schon vor 25 Jahren war der Standort kein unbeschriebenes Blatt. Es existierten bereits einige Uni-Einrichtungen und Institute. Diese Grundlage konnten wir nutzen.
Inzwischen gibt es auf dem gesamten Gelände acht TGZ, in denen sich viele kleine und mittelständische Unternehmen angesiedelt haben und die das exzellente Netzwerk gründender Personen zum Aufbau ihres eigenen Start-Ups in Anspruch genommen haben. Andere sind aus anderen Bundesländern hinzugekommen. Inzwischen stehen 27.000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung. Sie alle eint, dass sie innovative Ideen umsetzen wollen und hier optimale Bedingungen zur Verwirklichung vorfinden.
Was wünschen Sie sich aus Sicht der Forschung und aus ganz persönlicher Perspektive für den Weinberg Campus? Welche Visionen haben Sie, wie sollte der Campus in 20 Jahren aussehen?
Wir brauchen neue Facilities, gerade für Start-Ups. Bestimmte Dinge können kleine Firmen zudem nicht vorhalten, wie eine aufwendige Analytik und insofern wäre ein Kompetenzzentrum sehr wichtig, in welchem spezielle und hochgezüchtete Analytik aufgebaut wird, die alle nutzen können. Da kommt dann das TGZ ins Spiel.
Die Mitarbeitenden und Professorenschaft der MLU betreiben Grundlagenforschung. Sie ist enorm wichtig, mündet allerdings nicht unmittelbar in eine praktische Anwendung und sie ist sehr kostenintensiv. Die dafür erforderlichen Mittel können weder die Universität noch die beteiligten Firmen allein aufbringen. Dafür wünschen wir uns noch mehr Unterstützung der Landesregierung. Nicht nur finanziell, sondern auch strategisch.
(Das Interview wurde im August 2018 geführt.)
Prof. Dr. rer. nat. habil. Dr. h. c. Reinhard Neubert
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