Mein Name ist Hans-Ulrich Demuth. Ich bin von Hause aus Biochemiker und seit meiner Studienzeit in den 1970er Jahren am Weinberg Campus tätig. 1997 habe ich gemeinsam mit Konrad Glund das Unternehmen Probiodrug hier am Standort gegründet, was es 2014 an die Börse geschafft hat. Nachdem sich Probiodrug stärker auf die Klinik spezialisiert hatte, habe ich für die Grundlagen- und angewandte Forschung ein neues Zuhause gesucht und es mit dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) in Leipzig gefunden.

Das IZI betreibt Therapieentwicklung auf zellbiologischem Gebiet, und wir passten sehr gut zu den Schwerpunkten und Technologien des Institutes. Als Außenstelle des IZI konzentrieren wir uns heute in unserer Forschung vor allem auf entzündliche Erkrankungen, denn fast alles Krankmachende in unserem Körper ist Entzündung – mehr oder weniger stark im Laufe des Lebens ausgeprägt. Zu unseren Forschungsschwerpunkten gehören aber auch die neurodegenerativen Erkrankungen oder Erkrankungen wie Diabetes, die etwas mit Entzündungen innerhalb unseres gesamten Organismus zu tun haben.

Welchen Stellenwert hat Ihre Forschungsarbeit bzw. die Proteinforschung am Standort Weinberg Campus allgemein im nationalen und internationalen Kontext?

Zunächst einige Bemerkungen zur Proteinforschung in unserer Region. Die Protein- und Protease-Forschung hat eine mehr als 60-jährige Geschichte in Halle (Saale). Es begann in den 1950er Jahren mit der Heterogenkatalyse von Wolfgang Langenbeck hier am Weinbergweg und setzte sich mit der Entwicklung der Enzymologie fort. Heute existieren in Sachsen-Anhalt zwei Forschungsschwerpunkte: Das sind die neurobiologische Forschung in Magdeburg, repräsentiert durch das Leibniz-Institut für Neurobiologie und das DZNE Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen, sowie die Protein- und Pharmaforschung in Halle (Saale), wo die Forschung an Struktur und Eigenschaften von Eiweißen mit der Zielrichtung potenzielle Therapeutika zu entwickeln im Fokus steht.

Das neue Proteinzentrum am Weinberg Campus forciert die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Proteinforschenden weiter. Wir verstehen die wirkstofforientierte Grundlagenforschung des Fraunhofer IZI (MWT) als wichtigen Bestandteil dieser Proteinforschung in Halle und als Fortsetzung der enzymologischen Forschung in der Vergangenheit.

Die Forschung, die in Halle (Saale) betrieben wird, ist international sichtbar. Es bestehen vielfältige Beziehungen zu renommierten Institutionen: Angefangen von der Harvard Medical School über das Salk-Institut in Kalifornien, der Neurologie an der Universität von San Francisco bis hin zum RIKEN Brain Institut in Tokio. Das ist eine tolle Entwicklung, das heißt, der Standort Halle ist definitiv weltweit wahrnehmbar und damit auch die protein-biotechnologische Forschung, die wir hier betreiben.

Welche Vorteile bietet Ihnen die Arbeit am Weinberg Campus?

Die gleiche Frage hat vor einigen Jahren der ehemalige Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Reinhard Höppner, gestellt. Damals war meine Antwort: „Wir könnten theoretisch jederzeit eine Unternehmens-/Institutsgründung in der Arktis oder Antarktis realisieren, weil durch die Kommunikationssysteme ein Austausch und die Lieferung von Materialien und Methoden problemlos möglich wäre. Praktisch stimmt das aber nicht. Die Infrastruktur, die uns der Standort Weinberg Campus hier in Halle, sowohl mit seiner Nähe zur Universitätsmedizin als auch zu den naturwissenschaftlichen Instituten für Pharmazie, Biochemie, Biologie, Biotechnologie der Universität, bietet, schafft uns optimale Voraussetzungen.“ Meine Hoffnung ist, dass sich das in den nächsten Jahren so fortsetzt. Dabei stehen wir im internationalen Wettbewerb mit anderen Standorten und müssen uns mit Qualität und Exzellenz behaupten.

Was wünschen Sie sich aus Sicht der Forschung für den Weinberg Campus?

Zukunft zu entwickeln, beginnt heute. Es gibt eine ganze Reihe von Initiativen, die diesbezüglich eine ganz wesentliche Rolle spielen. Das war in den letzten Jahren die Exzellenz-Initiative des Bundes, an der vor allem die Universität partizipiert hat. Das ist im Moment zum Beispiel das Leistungszentrum für Chemie- und Biosystemtechnik, welches durch das Fraunhofer IMWS getragen wird und an dem sich auch unser Fraunhofer-Institut beteiligt. Ziel ist die Entwicklung und weitere Vernetzung verschiedener Technologien im Bereich der Material- und Biowissenschaften. Heute können wir uns noch gar nicht ausmalen, was es zukünftig an Stoffen geben wird, die unser Leben verändern, ich denke zum Beispiel an Organersatzstoffe. Außerdem hoffe ich, dass die Ideen und das Know-how noch stärker in Ausgründungen umgesetzt werden.

Fällt Ihnen eine Begebenheit ein, die Sie mit dem Weinberg Campus verbinden?

Anfang der 2000er Jahre haben wir mit Probiodrug unser Diabetes-Projekt vermarktet. Das Schlüsselenzym, welches wir in diesem Zusammenhang identifiziert haben, hieß Dipeptidylpeptidase-4, kurz DP 4. Das war eine sehr intensive Zeit. Es gab daher Momente, und das ist verbrieft und durch bezeugende Personen belegt, in denen ich mich am Telefon mit „DP4“ gemeldet habe.

(Das Interview wurde im August 2017 geführt.)

Prof. Dr. Hans-Ulrich Demuth

Prof. Dr. Hans-Ulrich Demuth

Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI (MWT)
Weinbergweg 22
06120 Halle (Saale)
Telefon: +49 (345) 13142805
Internet: www.izi.fraunhofer.de