Prof. Dr. Erica Lilleodden
Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen
Institutsleiterin
Frau Prof. Lilleodden, Sie sind seit 1. Februar 2022 die neue Leiterin des Fraunhofer IMWS in Halle (Saale). Können Sie sich bitte kurz vorstellen?
Ich bin Erica Lilleodden, gebürtig aus Minnesota, USA, habe Materialwissenschaften an der University of Minnesota – Twin Cities studiert und danach an der Stanford University am Department of Materials Science & Engineering promoviert. Das Thema meiner Dissertation lautete »Indentation-induced plasticity of thin metal films«. Anschließend war ich zwei Jahre als Post-Doc und als Dozentin am Lawrence Berkeley National Lab und an der University of California in Berkeley beschäftigt. 2004 kam ich für eine zweite Post-Doc-Stelle an das Institut für Materialforschung des Forschungszentrums Karlsruhe (heute Karlsruhe Institute of Technology) nach Deutschland. Es war mir sehr wichtig, dass ich, nicht nur für meinen wissenschaftlichen Karriereweg, sondern auch für mehr Lebenserfahrung, mal in einem anderen Land lebe. Es waren zu Beginn nur ein bis zwei Jahre geplant. Jetzt ist es schon 18 Jahre her! Vor meiner Zeit am Fraunhofer IMWS war ich zehn Jahre am Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht, wo ich die Abteilung für Experimentelle Werkstoffmechanik leitete. Zu meinen Forschungsschwerpunkten zählen die Nano- und Mikromechanik von Werkstoffen wie Metallen, Keramiken und Verbundmaterialien, etwa im Hinblick auf Verformung und Defektbildung im Einsatz sowie auf die zielgerichtete Entwicklung von Materialien mit spezifischen Eigenschaften für Hochleistungsanwendungen.
Welchen Forschungsschwerpunkten gehen Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen am Fraunhofer IMWS nach?
Wir sind ein methodisch ausgerichtetes Fraunhofer-Institut und unterstützen unsere Auftraggeber mit anwendungsorientierter Materialforschung. Unsere Expertise liegt in der Analyse der Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen. Wir untersuchen Materialien auf Mikrostrukturebene bis in den atomaren Bereich, um beispielsweise Schwachstellen zu entdecken und können so Schlüsse ziehen, wie die Mikrostruktur mit den Eigenschaften von Werkstoffen zusammenhängt. Darauf aufbauend können wir fundamentale Materialeigenschaften verändern, indem wir beispielsweise deren Zuverlässigkeit und Lebensdauer steigern, neue Eigenschaften oder optimierte Herstellungsprozesse möglich machen. Wir tragen deshalb dazu bei, Materialeffizienz und Wirtschaftlichkeit zu steigern und Ressourcen zu schonen. Unsere Kunden kommen beispielsweise aus dem Bereich der Mikroelektronik und Mikrosystemtechnik, der Kunststofftechnik, der Photovoltaik, der Energietechnik, dem Automobilbau oder dem Flugzeugbau, aber auch aus dem Gesundheitsbereich. Hieran anknüpfend konnten wir im Herbst 2022 die erfolgreiche Ausgründung des Start-ups »Matrihealth« feiern. Die vier Gründer wollen hochreines Elastin in medizinischer Qualität für verschiedene Marktsegmente herstellen und vertreiben.
Worauf legen Sie bei der Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen Wert?
Ich lege bei der Zusammenarbeit großen Wert auf ein Mannschaftsgefühl, ähnlich wie beim Sport. Wir verstehen uns als Team, jeder trägt seinen Teil zum Gelingen bei, jeder Arbeitsbereich ist wichtig. Eine Art Hierarchie ist notwendig, aber ebenso ist mir wichtig, dass wir auf Augenhöhe miteinander kommunizieren und uns austauschen bei schwierigen Fragestellungen oder Problemen. Eine gesunde Streitkultur ist essenziell – Der Austausch sollte auf Augenhöhe und natürlich respektvoll erfolgen. Ich brauche den ehrlichen Input meiner Kolleginnen und Kollegen, die mich vertrauensvoll beraten. Ich biete ziemlich früh das „du“ an und spreche meine Kolleginnen und Kollegen mit Vornamen an, so wie es in Amerika typisch ist. Aber natürlich nur, wenn das auch für die andere Person in Ordnung ist.
Wie sehen Ihre Pläne für die kommenden fünf Jahre in Bezug auf die Forschungs- und Entwicklungsarbeit am Institut aus?
Die vergangenen Jahre und Jahrzehnte, wir haben letztes Jahr 30 Jahre Fraunhofer in Halle (Saale) gefeiert, wurde am Institut stark auf Wachstum und neue Forschungsfelder gesetzt. Dies war rückblickend, für die Positionierung des Instituts in der Wissenschaftslandschaft von Sachsen-Anhalt, aber auch deutschlandweit, sehr wichtig. Ich denke, dass wir nun an einem Punkt angekommen sind, an dem es nicht mehr so stark auf die Erweiterung des Themenspektrums ankommt und wir eher wieder unsere Kernkompetenz, die Mikrostruktur, als Schwerpunktthema fokussieren müssen, sozusagen »back to the roots«. Es gibt viele Möglichkeiten, dies weiter zu vertiefen und neue Märkte zu erschließen. So können wir beispielsweise durch unser Materialverständnis beim Transport und bei der Speicherung von grünem Wasserstoff einen großen Beitrag leisten und die Automobilindustrie, mithilfe unserer exzellenten Fehleranalyse-Kompetenz, beim Aufspüren von Schwachstellen bei Mikrochips unterstützen. Auch ist die geplante Ansiedlung des Halbleiterherstellers Intel in Magdeburg für uns sehr interessant, da bereits eine langjährige Kooperation besteht, die wir nun weiter ausbauen werden. Auch sieht es so aus, dass wir in den kommenden Jahren eine "Renaissance" im Photovoltaik-Bereich in Deutschland erleben, die wir mit dem Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik CSP, eine gemeinsame Einrichtung des Fraunhofer IMWS und des Fraunhofer ISE, durch angewandte Forschung vorantreiben werden.
(Das Interview wurde im Mai 2023 von Luisa Mehl geführt.)
Prof. Dr. Erica Lilleodden
Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS
Walter-Hülse-Straße 1
06120 Halle (Saale)
Tel: +49 (0)345 5589-100
E-Mail: erica.lilleodden@imws.fraunhofer.de