Prof. Dr. Alain Tissier
Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB)
Abteilung Stoffwechsel- und Zellbiologie
Ich heiße Alain Tissier, bin Franzose und habe in Paris studiert. Nach meinem Studium bin ich für meine Promotion in die USA gegangen und habe dann meinen Postdoc in Norwich (England) gemacht. Danach habe ich eine Stelle in Frankreich als Wissenschaftler an einem Kernforschungsinstitut bekommen, in dem die Effekte von Strahlung auf Lebewesen, also Pflanzen- und Tierzellen, erforscht wurden. Dort habe ich nach einigen Jahren eine Firma im Bereich Pflanzen- und Biotechnologie gegründet, dabei ging es um Metabolic Engeneering von Duftstoffen aus Pflanzen. Danach habe ich eine Professur an der Universität Montpellier angetreten. Kurz darauf erreichte mich der Ruf an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, sodass wir als Familie nach Halle (Saale) gezogen sind, und nun bin ich seit 2010 Abteilungsleiter am Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) und Professor am Institut für Pharmazie an der Uni Halle.
Womit beschäftigt sich Ihre Abteilung am IPB?
In meiner Abteilung beschäftigen wir uns mit kleinen Molekülen, die von Pflanzen produziert werden, sogenannten Sekundärstoffen, die ganz wichtig für die Interaktion von Pflanzen mit ihrer Umwelt sind. Diese Stoffe tragen dazu bei, dass sich Pflanzen gegen Pathogene (Krankheitserreger) oder Insekten wehren können. In meiner Arbeitsgruppe fokussieren wir uns auf sekretorische Organe, also spezielle Organe, die auf der Blattoberfläche sitzen und große Mengen dieser Sekundärstoffe produzieren. Diese könnte man auch als kleine „Chemiefabriken“ beschreiben. Die Prozesse in diesen „Chemiefabriken“ wollen wir verstehen. Einerseits möchten wir wissen, welche Stoffe produziert werden und anderseits ist es interessant, wie sich diese Strukturen genetisch determiniert entwickeln. Ein langfristiges Ziel ist es, Pflanzen für die Landwirtschaft zu züchten, die beispielsweise weniger Pestizide brauchen.
Können Sie Ihre Forschungsarbeit am IPB international einordnen, was haben Sie für Forschungskooperationen?
Wir sind international sehr gut vernetzt. Wir sind an mehreren EU-Projekten beteiligt und haben unter anderem ein Projekt mit einem Forschungszentrum im Taiwan, dem World Vegetable Center. Dort beschäftigt man sich viel mit Pflanzenzüchtungen für Entwicklungsländer in Südostasien. Wir betreiben dort ein Projekt, in dem Tomaten gezüchtet werden, die besser gegen weiße Fliegen geschützt sind.
Was schätzen Sie am Leibniz-Institut und am Weinberg Campus allgemein?
Am Leibniz-Institut, einem außeruniversitären Institut, sind die Forschungsbedingungen hervorragend. Wir sind sehr interdisziplinär aufgestellt, hier arbeiten nicht nur Fachkräfte für Biochemie, sondern auch für Chemie und für Bio-Informatik. Wir machen viel mit den ChemikerInnen an unserem Institut und was ich zudem hier am Weinberg Campus toll finde ist, dass wir nicht isoliert sind. Wir sind sehr nah an der Universität, dadurch kann man intensiv kooperieren, denn es gibt viele Pflanzenforschungsarbeitsgruppen an der Uni und natürlich auch Studierende, Masterstudierende und Promovierende.
Würden Sie sagen, dass die Pflanzenforschung im weiteren Sinne hier ein Schwerpunkt am Campus ist?
Definitiv ja. Ich denke, es sollte auch weiter so bleiben bzw. noch ausgebaut werden. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal für Halle (Saale) als Forschungsstandort, auch im Zusammenspiel mit dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben, welches, wie unser Institut, eine ganz enge Verbindung zur Uni unterhält. Im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist der Pflanzenanbau ein global-strategisches Thema, und ich denke, es ist definitiv ein Gebiet, auf dem der Standort Weinberg Campus eine wichtige Rolle in Deutschland und international spielen kann.
Welche Visionen haben Sie, wie sollte der Campus in der Zukunft aussehen?
Wie schon gesagt, denke ich, dass die Pflanzenforschung eine Stärke der Uni ist. Wir haben zusätzlich auch andere Forschungsgebiete, die hier sehr stark vertreten sind, beispielsweise die Materialforschung am Fraunhofer IMWS oder am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik, hier sollten wir die interdisziplinäre Forschung noch stärker vorantreiben. Außerdem wünsche ich mir, dass wir in nächster Zeit wieder einmal eine tolle Ausgründung aus dem Leibniz-Institut begleiten können. Wir wissen, dass das nicht immer einfach ist in der Pflanzen- und Biotechnologiebranche.
Fällt Ihnen eine Begebenheit ein, die Sie mit dem Weinberg Campus verbinden?
Vor über 20 Jahren war ich als Post-Doc in England und habe an einem Projekt zusammen mit Victor Klimyuk und Sylvestre Marillonnet gearbeitet. Wir waren junge und hoffnungsvolle Post-Docs damals. 20 Jahre später haben wir drei uns am Weinberg Campus wiedergefunden. Victor Klimyuk, als Geschäftsführer bei Icon Genetics, Sylvestre Marillonnet war auch bei Icon Genetics und ist jetzt bei uns am IPB. Er leitet dort die Forschungsgruppe „Synthetische Biologie“ und wir sind sehr froh, dass er bei uns ist. Ich muss sagen, ich kannte Halle vorher nicht und das war einfach ein toller Zufall, dass wir uns hier wiedergetroffen haben.
(Das Interview wurde im August 2018 geführt.)
Prof. Dr. Alain Tissier
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