Ein Pionier der Biochemie – Das Vermächtnis von Rainer Rudolph
Von Anne Breitsprecher (aus dem aktuellen Weinberg Campus Magazin 2024)

Er hätte in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag gefeiert: Prof. Rainer Rudolph, der 2009 verstorbene renommierte Biochemiker, hat den Weinberg Campus geprägt wie kaum ein anderer. Rudolph hatte den Lehrstuhl für Biotechnologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg inne. In dieser Funktion vermittelte er seinen Studierenden nicht nur Fachwissen und ermutigte sie zur Freiheit im Denken und Handeln, sondern baute auch Brücken von der Wissenschaft zur Industrie.
Vor 25 Jahren gründete er die Scil Proteins GmbH mit, die als Produktionsstätte für therapeutische Proteine vor 10 Jahren in die Wacker Biotech GmbH überging und schließlich zur Eröffnung des mRNA-Kompetenzzentrums des Unternehmens im Juni führte. Gründe zum Feiern gäbe es also 2024 genug. „Rainer hätte die Entwicklung auf dem Campus sehr gefreut“, sagt Rudolphs Witwe, Prof. Dr. Elisabeth Schwarz. Sie selbst arbeitete am Institut für Biochemie und Biotechnologie. „Es braucht manchmal jemanden, der eine Lunte legt und dadurch letztlich Großartiges in Gang setzt. Mein Mann war so jemand.“
Aufbruchstimmung der 90er lockte nach Halle
Rainer Rudolph verkörperte alles, wofür der Technologiepark Weinberg Campus heute steht: Forschen, Gründen, Unternehmen. Doch als er 1994 den Ruf an die Uni Halle annahm, war dies alles noch nicht absehbar. Rudolph hatte sich für Halle entschieden, obwohl er auch ein Angebot für eine Professur an der TU München hatte. Die Aufbruchsstimmung in den frühen 90er Jahren begeisterte ihn, und er sah großes Potenzial in der Stadt. Vor allem aufgrund der bereits vor der Wende tätigen hoch angesehenen Wissenschafts-Community, vertreten durch die Leopoldina. Seit 1878 hat die Deutsche Akademie der Naturforscher ihren Sitz in Halle. „Man bot ihm damals das Institut an und einen kompletten Umbau des Biotechnikums“, erinnert sich Elisabeth Schwarz. Einschränkungen gab es nach ihrer Erinnerung dabei keine. „Er war gestalterisch frei, sowohl was das Labor betraf als auch die Forschungsthemen. Das hat ihn an Halle gereizt. Wäre es anders gewesen, wäre er ganz sicher nach München gegangen.“
Nach zehn Jahren beim Pharmaunternehmen Roche, damals Boehringer Mannheim, kehrte Rudolph damit in die akademische Welt zurück. An der MLU fand er das Umfeld, das ihm den nötigen Raum für seine anwendungsorientierten Ideen gab. Rudolph baute eine leistungsfähige Technische Biochemie an der Uni Halle auf. Sein Erfolg in der Wissenschaft spiegelt sich in zahlreichen Publikationen, Patenten, Drittmitteleinwerbungen und der Anerkennung seiner Kolleginnen und Kollegen wider. Im Jahr 2005 ernannte man Rudolph aufgrund seiner herausragenden Beiträge auf dem Gebiet der Proteinfaltung zum Mitglied der Leopol dina. Seine Leidenschaft für Proteine lag in ihrer Vielseitigkeit und den zahlreichen biologischen Funktionen, die sie erfüllen. Er vermittelte diese Begeisterung an seine Studierenden und Mitarbeiter.
Mit Spinnfäden zu wertvollen Netzwerken
Rudolphs Kreativität und sein unternehmerisches Handeln zeigten sich in vielen Projekten, darunter das Projekt „Spinnenseiden“. „Rainer hat viele Ideen aus einfachen Beobachtungen abgeleitet“, sagt Elisabeth Schwarz. Er sei fasziniert gewesen von der enormen Reißfestigkeit der Spinnenfäden, die aus speziellen Proteinen bestehen und habe junge Kollegen auf dieses Thema aufmerksam gemacht.
Thomas Scheibel an der Universität Bayreuth führte die Forschung weiter und gründete eine Firma, die Spinnenprodukte für medizinische Anwendungen nutzbar machte“, so Schwarz. Rainer Rudolph knüpfte zahlreiche Verbindungen zur Industrie und schloss Beraterverträge mit vielen biotechnologischen Unternehmen und Startups. Die Gründung von Scil Proteins in Halle war ein bedeutender Schritt in seiner Karriere. Das Unternehmen bot Rudolph die ideale Möglichkeit, anwendungsnah zu arbeiten. Mehrere Ergebnisse aus der Forschung an seinem Lehrstuhl entwickelte man direkt bei Scil Proteins weiter und viele seiner Absolventinnen und Absolventen fanden dort eine Anstellung.
Ein weiteres Vermächtnis von Rudolph ist die „Halle Conference“, die er ins Leben gerufen hat. Ziel dieser Konferenz war die Verknüpfung akademischer Forschung und industrieller Entwicklung. „Die Idee zur Halle-Conference kam, wie ich mich erinnere, von Gesprächen mit Studierenden, die nicht glauben konnten, dass man mit fundierten Kenntnissen in der als esoterisch angesehenen Proteinfaltung gute Berufsaussichten in der Industrie haben könnte“, sagt Elisabeth Schwarz. Die Konferenz bot die Möglichkeit, Firmen kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Über die Jahre entwickelte sich die Veranstaltung weiter und erfuhr internationale Anerkennung. Sie bleibt für Teilnehmende aus der akademischen Forschung kostenlos und bietet Biochemie-Studierenden der MLU einen ersten Einblick in die Welt der angewandten Forschung. Zuletzt fand das Event 2022 statt.
Beim Spaziergang über den Weinberg Campus mit Elisabeth Schwarz, die noch zahlreiche Kontakte zu ihrer früheren Arbeitsstätte hat, ist das Vermächtnis ihres Mannes deutlich spürbar. Das Biotechnikum mit dem prägnanten Kuppeldach ist zeitlos modern. Viele der am Campus tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stammen noch aus seinem Lehrstuhl oder haben mit ihm zusammengearbeitet. Sie treiben nun die Forschung und Entwicklung am Campus voran oder betätigen sich unternehmerisch am Standort.
Gerade junge Menschen zu fördern, war Rudolph ein wichtiges Anliegen. „Rainer hat stets die Bedeutung der persönlichen Berufung betont und seinen Studierenden und Mitarbeitenden stets geraten, ihrem Herzen zu folgen und mutig ihren eigenen Weg zu gehen. Diese Philosophie hat er nicht nur gelebt, sondern auch weitergegeben, und sie bleibt ein wesentlicher Teil seines Vermächtnisses.“
Die Rainer-Rudolph-Stiftung
Um das Vermächtnis Rainer Rudolphs fortzuführen, gründeten Weggefährten von Rainer Rudolph mit der Scil Proteins GmbH 2011 die Rainer-Rudolph-Stiftung. Die Stiftung zeichnet jährlich herausragende Leistungen von jungen Forschenden aus dem Bereich Proteinbiochemie und Biotechnologie aus und unterstützt wissenschaftliche Veranstaltungen. Aktuell arbeitet die Stiftung gemeinsam mit der Uni Halle an einer Durchführung der Halle-Conference 2026.
Zur Webseite der Rainer-Rudolph-Stiftung
Bild (Th. Meinicke): Der Umbau der Biotechnikums der MLU im Weinbergweg, geht auf Ideen und Initiative von Rainer Rudolph zurück.