Dr. Henning Afflerbach
CEO, Navigo Proteins GmbH
Herr Dr. Afflerbach, können Sie sich und Ihr Unternehmen bitte kurz vorstellen?
Mein Name ist Henning Afflerbach. Ich bin 53 Jahre alt, verheiratet und habe drei Söhne. Meine Heimatstadt ist Düsseldorf. Seit zehn Jahren arbeite ich hier auf dem Weinberg Campus, zunächst bei der Scil Proteins GmbH und seit 2017 bei der Navigo Proteins GmbH. Wobei Navigo aus der Scil, einem Spin-off der Uni Halle, hervorgegangen ist. Wir beschäftigen uns mit Proteinen. Das können wir ziemlich gut und profitieren dabei sehr vom hiesigen Umfeld, vor allem von der Proteinbiochemie an der Martin-Luther-Universität auf dem Campus.
Ich bin Biologe, habe in Düsseldorf studiert und dort auch promoviert. Ich habe mich während meiner Post-Doc-Zeit entschieden, in die Wirtschaft zu gehen, zunächst in einer Wissenschaftskoordinationsfunktion, dann habe ich bei verschiedenen Biotechnologieunternehmen gearbeitet. Ich habe das sehr bewusst gemacht, von Anfang an in die Biotechnologie und nicht die große pharmazeutische Industrie zu gehen. Denn Biotechnologieunternehmen sind klein, flexibel, spannend und innovativ.
Bei Navigo Proteins verfügen wir über eine umfangreiche Proteinexpertise. Das ist ein Thema, welches mich beruflich immer begleitet hat. Proteine gehören zu den wichtigsten Bausteinen des Lebens und zeichnen sich durch eine unglaubliche Vielfalt ihrer Strukturen und Funktionen aus. Das machen wir uns zunutze und konstruieren riesige Wirkstoff-Bibliotheken, aus denen wir schließlich wenige, in diversen Eigenschaften optimierte Kandidaten selektieren. Wir operieren hier im weltweiten Vergleich auf absolutem Top-Niveau, was die wissenschaftlichen Grundlagen, die technischen Voraussetzungen aber auch unsere Industrie-Partner und Kunden anbelangt. Bei uns arbeiten 50 Menschen, fast zwei Drittel davon weiblich, aus den verschiedensten Disziplinen, wie Molekularbiologie, Zellbiologie, Proteinbiochemie oder Bioinformatik.
All das bündeln wir hier am Weinberg-Campus in Halle unter einem Dach, um mit stetig wachsenden Erfolg Proteine in ihrer Funktion zu verbessern, zu optimieren und letztlich zu groß-industriellen biotechnologischen und kommerziellen therapeutischen Anwendungen zu bringen.
Welchen unternehmerischen und gesellschaftlichen Impact sehen Sie für Ihre Produkte und Dienstleistungen?
Wir sind im Umfeld der weltweiten biopharmazeutischen Industrie tätig. Diese hat das Ziel, die Gesundheit der Gesellschaft zu erhalten und zu verbessern. Dazu leisten wir unseren Beitrag. Das kann man tun, indem man neue Wirkstoffe entwickelt oder indem man Produktionsprozesse vereinfacht und letztendlich verbilligt, so dass biopharmazeutische Medikamente für alle Menschen bezahlbar sind.
Unternehmerisch ist es unser Ziel, das zu tun, was wir am besten können: „Protein Engineering“. Dabei konzentrieren wir uns zum einen auf die Entdeckung von proteinbasierten, also „bio“-pharmazeutischen Wirkstoffen und entwickeln diese z. B. zu innovativen Krebstherapien oder neuartigen Formen der Nukelarmedizin. Unseren Partnern aus der Biopharma-Industrie verkaufen wir dann Lizenzen für die folgende klinische Entwicklung und die kommerzielle Vermarktung. Im biopharmazeutischen Umfeld sind wir so involviert in spannende, verschiedene Entwicklungsabschnitte, von der ganz frühen Forschung, bis hin zur Markteinführung, allerdings mit relativ langen Entwicklungszeiten.
In unserem zweiten Geschäftsfeld, der technischen Prozessentwicklung von Biopharmazeutika hingegen, geht alles viel schneller. Das war ein wichtiger Grund, weswegen wir uns entschieden haben, auch hier tätig zu sein, neben der Tatsache, dass es weltweit hierzu nur eine Handvoll Wettbewerber gibt. Wir haben seit letztem Jahr unser erstes Produkt auf dem Markt, welches weltweit verkauft wird. Ein innovatives Protein aus Halle, das global genutzt wird, um Antikörper besser und preiswerter herstellen zu können. Die Entwicklungszeit dafür betrug nur etwa 1,5 Jahre, also ungefähr zehn Mal schneller, als bei einem Biopharmazeutikum.
Was ist das für ein Produkt?
Es geht um einen zentralen Prozessschritt im Reinigungsverfahren therapeutischer Antikörper. Diese werden in riesigen Bioreaktoren in Zellkultur hergestellt und aufwendig gereinigt, um am Ende ein hochreines Produkt für die Patienten zu generieren. Unser Proteinprodukt dient als „Fänger“, um die Antikörper schnell, hoch rein, robust und wiederverwendbar aus dem Wachstumsmedium mit seinen vielen komplexen Nebenprodukten effektiv „herauszufischen“. So erreichen wir reproduzierbar in einem 1-Schritt-Verfahren ca. 95 Prozent Reinheit. Unser Produkt schätzen pharmazeutische Unternehmen auf der ganzen Welt, weil die Produktion damit schneller geht und vor allem preiswerter wird.
Welche Vorteile bietet Ihnen der Standort Weinberg Campus? Was schätzen Sie am Weinberg Campus?
Als ich das erste Mal hierherkam – es war ein sonniger Tag im Frühsommer – ist mir aufgefallen, dass das ganze Areal hier schon einen parkähnlichen Charakter hat. Das hat mir gleich gut gefallen und mich an die typischen Campus-Situationen in den Vereinigten Staaten erinnert. Auch die Durchmischung der verschiedenen Technologiezentren mit den Gebäuden der Universität hier ist großartig. Darüber hinaus ist die Nähe renommierter Forschungsinstitutionen, wie Leibniz-, Fraunhofer-, Max-Planck- und Helmholtz-Institute, ist ebenfalls sehr hilfreich und wir arbeiten auch mit vielen zusammen.
Der Weinberg Campus ist ein Hotspot für unsere Kernexpertise, die Biotechnologie, denn er ist eine Ansammlung einer ungewöhnlich hohen Anzahl von Experten. An einem Ort wie Halle an der Saale mag das nicht jeder gleich vermuten, aber ich hebe das immer wieder hervor. In diesem Umfeld finden wir hervorragend ausgebildete Mitarbeiter, die unser hochmotiviertes Team bilden, welches unsere Unternehmens-Visionen in einzigartiger Art und Weise umsetzt.
Was wünschen Sie sich aus Unternehmersicht und aus ganz persönlicher Perspektive für den Weinberg Campus?
Ich würde mich freuen, wenn unsere eigene Entwicklung und die vor Ort hier kontinuierlich, organisch weitergeht. Ich habe das Gefühl, dass hier echte Dynamik herrscht, allerdings nicht in Form eines wilden Wachstums, sondern eines wohl gesteuerten Wachstums mit Hinblick auf neue Technologiezentren, die weiterhin geplant und umgesetzt werden sollen.
Für die Zukunft wünsche ich mir allerdings noch ein bisschen mehr internationales Flair. Wir tragen dazu bei, indem wir unseren Partner aus der ganzen Welt hier zeigen, was Halle und die Navigo Proteins samt dem Campus zu bieten haben. Ich könnte mir vorstellen, dass noch mehr Symposien, Veranstaltungen und internationale Biotech-Ansiedlungen dazu beitragen können. Was ich mir sehr wünschen würde, wäre auch eine Gastronomie, die solchen Anlässen genügt.
Fällt Ihnen eine Begebenheit ein, die Sie mit dem Weinberg Campus verbinden?
Mein persönliches kulturelles Highlight auf dem Campus war das Konzert der beiden kubanischen Pianisten Omar Sosa und Marialy Pacheco im Rahmen des Jazzfestivals „Women in Jazz“, 2018. Das war eine großartige Maßnahme, die Aufmerksamkeit auch mal auf eine ganz andere Art auf diesen Ort zu lenken und zu zeigen, dass der Campus noch viel mehr zu bieten hat als Wissenschaft. Es wäre super, wenn man diese oder ähnliche Events weiterführen könnte. Auch das Sommerkino in diesem Jahr war sehr stimmungsvoll. Ich nutze diese Gelegenheiten bewusst, um unseren Gästen und Geschäftspartnern den Campus näher zu bringen.
(Das Interview wurde im August 2019 geführt.)
Navigo Proteins GmbH
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Internet: www.navigo-proteins.com